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Zeitschrift BALANCE•  Tanzen mit Leib und Seele

Heft 2/2010

Tanzen mit Leib und Seele



Mit Leib und Seele tanzen –
Selbsterfahrung und Selbstfindung als Mann im Tanz

Auszug aus der Abschlussarbeit von Siegfried Bayer


… Das große Zittauer Fastentuch aus dem Jahre 1472, das ich im Februar 2004 kennen lernte, erzählt in einfachen, aber ausdrucksvollen Bildern Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament. Interessant war für mich besonders die Darstellung der Erschaffung des Menschen. Im sechsten Bild „Nu macht her denn Menschin unde Thyr“ kniet der erste Mensch in androgyner Gestalt vor dem Schöpfer und empfängt betend seine Beseelung wie einen Segen. Im folgenden Bild „Allhy got even von adam machte“ entfaltet sich dann der vormals androgyne Mensch in Mann und Frau.

Wenn der Mensch in seiner Grundstruktur androgyn angelegt ist und sich erst daraus als Mann und Frau entfaltet, was bedeutet dies für das Tanzen? Ist der Tanz als Ausdrucksform androgyn, also allgemein menschlich? Doch gab und gibt es nicht in allen Kulturen Tänze, die von allen und Tänze die nur von Frauen oder Männern getanzt werden? Was ist dann der Unterschied zwischen männlich und weiblich tanzen? Was bedeutet, als Mann zu tanzen und wie fühlt sich dies an?

Ich begann nun ganz bewusst den Tänzen nachzuspüren. Und tatsächlich konnte ich immer deutlicher Unterschiede erkennen und auch die Tänze benennen, die ich als meinem Wesen und meinem Körper entsprechend erlebte. Es waren dies z.B. der Sonnentanz, Der neue Mensch, Mystery oder Kuma echa, um nur einige zu nennen. Sind nun die Tänze, die ich mir entsprechend erlebe, männlich und die anderen weiblich? Ich spürte, das kann so nicht sein, das wäre zu einfach. In dieser Phase des Suchens besuchte ich den Workshop „Chassidische Tänze, Lieder und Geschichten“ von Shura Lipovski. Das grenzenlose Vertrauen der Chassidim, ihre große Liebe zu allen Geschöpfen und ihre Art zu tanzen faszinierte mich. Nachhaltigen Endruck machte auf mich auch, dass hier die Männer tanzen und dabei ihr Gefühl leben, ausleben, austanzen bis hin zur Ekstase. „Sie tanzen, als müssten sie Himmel und Erde miteinander verschweißen“, so charakterisiert Nister in seinem Roman „Brüder Maschber“ den Tanz der Chassidim. Und ich spürte, dies ist mein Weg, das Irdische mit dem Himmlischen zu verbinden…

Als die Ausbildung zu Ende ging, da hatte ich das Gefühl, heimgekommen, angekommen zu sein bei mir, mir selbst als Mann begegnet zu sein. Dies hat mich sehr dankbar und glücklich gemacht. Anselm Grün: „Wenn wir uns auf den Leib einlassen und mit ihm üben, dann begegnen wir uns zuerst einmal selbst“.

Mir ist jedoch auch bewusst, dass dieses Einlassen auf den Leib eine Lebensaufgabe bleibt und „mit ihm üben“ für mich bedeutet tanzen, tanzen…

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